Evaluationsprojekt

Wissenschaftliche Untersuchung zur Qualität des Angebots von Autismus-Zentren

Es kommt nicht oft vor, dass die Durchführenden von sozialen oder therapeutischen Maßnahmen von sich aus den Wunsch haben, ihre Arbeit bewerten zu lassen. Hier ist es anders: 12 Autismus-Therapieeinrichtungen in NRW, Niedersachsen, Bremen und Bremerhaven haben sich zusammengetan, um eine externe Evaluation durchführen zu lassen. Es ging ihnen darum herauszufinden, wie die Menschen, für die sie arbeiten, die Prozesse und Wirkungen der vielfältigen Aktivitäten einschätzen. Eine dieser Einrichtungen ist das Autismus-Therapiezentrum am Goethering in Osnabrück.

Mit der Untersuchung wurde die Arbeitsgruppe Qualitätsentwicklung / Evaluation um Herrn Professor Dr. Wolfgang Böttcher vom Institut für Erziehungswissenschaft der WWU Münster beauftragt.

Das Evaluationsteam hat die Angebote der Therapieeinrichtungen unter die Lupe genommen und dann gemeinsam mit den Auftraggeberinnen Befragungsinstrumente entwickelt. Befragt wurden Eltern, Betreuer und – wenn es möglich war – auch die Klienten. Auch einige Kostenträger waren in die Erstellung der Instrumente eingebunden, und einige wurden auch zu ihren Einschätzungen der Arbeit der Institute befragt.

Die Fragebogenuntersuchung selbst wurde von Mai bis Juli 2015 durchgeführt.

Die Einrichtungen haben insgesamt 1785 Fragebögen an die Befragten versendet, von denen 966 von den Befragten ausgefüllt und anonym direkt an das Evaluationsteam zurückgeschickt wurden. Die Rücklaufquote liegt damit deutlich über der ähnlicher Untersuchungen. Für Osnabrück betrug die Rücklaufquote 52 %.

Es war sehr differenziert nach der Zufriedenheit mit der Hilfe und deren kurzfristigen und nachhaltigen Auswirkungen gefragt worden. Die Ergebnisse waren in allen Bereichen überaus positiv. So wurde von den Osnabrücker Befragten für eine überwältigende Mehrheit von 70 bis 84% der Klienten festgestellt, dass sie im Kontakt mit Anderen und mit sich selbst besser klarkämen, dass sie verlässliche Wege der Kommunikation entwickelt hätten, sich selbst besser steuern und sich allgemein im Alltag mit anderen Menschen besser zurechtfinden könnten. All dies sind Bereiche, die den Kern der autistischen Problematik darstellen.

Zur Relevanz der Untersuchungsergebnisse ging Prof. Böttcher in der Präsentation der Untersuchungsergebnisse auf die aktuell allgegenwärtige Forderung nach Evidenzbasierung ein: Wir verbinden damit häufig die Idee, die Wirkung einer Intervention sei beweisbar. Dies sei aber nur mit experimentellen Untersuchungsdesigns zu verwirklichen, wo alle möglicherweise wirksamen Randbedingungen kontrolliert würden, indem es eine Kontrollgruppe gebe und die Versuchspersonen zufällig auf die Gruppen verteilt würden. Medikamentenstudien seien derartig angelegt, in der Regel würde dort eine große Zahl von Versuchspersonen in vielen unterschiedlichen Kliniken untersucht, zufällig aufgeteilt und die Medikamentenwirkung mit der eines Placebos verglichen. Angesichts der zu erwartenden hohen Gewinne sei dieser Aufwand zu finanzieren. Ein vergleichbares Vorgehen sei im sozialen Bereich aus finanziellen aber auch aus ethischen Gründen nicht machbar: Man könne Kinder mit Autismus und ihre Familien nicht aus rein wissenschaftlichem Interesse ohne Hilfe lassen und man könne die Bedingungen, die aus dem Umfeld ebenfalls auf die Klienten wirkten, nicht hinreichend kontrollieren. An die Stelle eines Beweises müsse also das Bemühen treten, möglichst viele und starke Indizien für die Wirksamkeit einer Intervention zu finden – also „evidenz“ in der korrekten Übersetzung aus dem Englischen. Die hier vorgelegte Untersuchung mit einer so hohen Anzahl von Befragten, einem Untersuchungsdesign, welches Manipulationsmöglichkeiten minimiere und derart eindeutigen Ergebnissen sei eine starke Evidenz.